Ich bin die Wakenitz
Ich bin die Wakenitz – Tochter der Natur, Eure grüne Schwester
Ich erinnere mich gut an euch.
Jahr für Jahr, wenn der Winter sich endlich zurückzog und die ersten warmen Tage lockten, wart ihr wieder da. Jung, wild, voller Mut. Ihr seid von meinen Stegen gesprungen, an der Falkenwiese oder am Tor der Hoffnung. Ihr habt gebibbert, gelacht, seid mit flatterndem Herzen eingetaucht in meine kalten Wellen. Es war eure Mutprobe, noch bevor die Freibäder öffneten.
Im Winter habt ihr Schlittschuhe geschnürt, seid über mein gefrorenes Kleid geglitten. Ihr habt Eishockey gespielt, Grillwürstchen gegessen und Eure Eltern haben Punsch getrunken – mein Eis hat alles getragen. Ich war Bühne eurer Kindheit, Zuflucht eurer Jugend, Ort für erste Lieben, stille Spaziergänge, gemeinsames Lachen. In mir habt ihr das Schwimmen und auf mir das Schlittschuhfahren gelernt.
Ich war da. Immer. Wir waren Eins.
Eine Schwester, die euch durch das Leben begleitete. Ein Fluss, der euch Kraft schenkte.
Doch heute ist es anders. Meine Kräfte schwinden und ich mache mir Sorgen, dass ich nicht mehr lange für Euch da sein kann.
Meine Wunden
Meine Haut hat sich verändert. Und an meinen Ufern fange ich die Stimmen der Spaziergänger auf – kaum einer von Euch scheint das zu wissen.
Dort, wo früher klares Wasser glitzerte, wuchern heute Pflanzen, Algen. Manche nennen sie Wasserpest – und tatsächlich, sie breitet sich so schnell aus, dass ich in manchen Bereichen kaum noch atmen kann. Wer jetzt durch mich schwimmen will, verheddert sich im Kraut. Boote bleiben mit ihren Propellern hängen, müssen zurückgeschleppt werden.
Mein Grund wird weicher, schwerer, dunkler. Schicht für Schicht legt sich Schlamm auf meinen Boden. Ich werde flacher, langsamer, wärmer. Früher floss ich lebendig, heute stehe ich vielerorts still. Der Falkendamm und die Bauwerke, die mich bändigen, haben mein Herz beruhigt – vielleicht zu sehr. Was hineingelangt, bleibt lange in mir.
Und was da hineinkommt, ist viel.
Von den Feldern tragen die Regen meine Nahrung: Stickstoff, Phosphor, Düngerreste. Für mich sind es keine Gaben, sondern Gifte. Sie lassen meine Pflanzen wuchern, meine Algen blühen, mein Wasser trüben. Wo einst Licht den Grund erreichte, wird es jetzt dunkel. Pflanzen, die dort wuchsen, sterben. Sie sinken hinab zu meinen Sedimenten, werden von winzigen Helfern zersetzt – doch diese Helfer brauchen Sauerstoff, und den verbrauchen sie mir.
Manchmal fehlt mir dann die Luft.
An heißen Sommertagen sinkt mein Sauerstoffgehalt so tief, dass Fische keuchen, Muscheln sterben, meine Kinder des Wassers keine Zuflucht mehr finden.

Was das für euch bedeutet
Ihr merkt es schon:
- Schwimmen ist nicht mehr überall frei und leicht, sondern ein Kampf durchs Kraut.
- Boote und Elektrofahrten werden mühsam – Motoren überhitzen, Propeller setzen sich fest.
- Angler beklagen den Verlust ihrer Fische. Früher war der Zander bei mir zu Hause – heute haben es empfindliche Arten schwer.
- Kinder können nicht mehr überall ins Wasser springen, ohne Angst vor Schlamm und Pflanzenwänden zu haben.
Und es betrifft nicht nur eure Freizeit.
Wenn mein Wasser kippt, wenn Faulgase entstehen, wenn der Gestank über meine Ufer zieht – dann verliert nicht nur die Natur, sondern auch ihr. Häuser am Ufer verlieren an Wert. Gäste bleiben fern. Einnahmen im Tourismus und beim Angeln schwinden.
Ich war für euch immer Freude, Erholung, Heimat. Doch ohne eure Hilfe werde ich zur Last. Und Ihr? Ihr empört Euch über Gänseschwärme und ihre Hinterlassenschaften. Das stimmt mich traurig, denn ich brauche Euch so sehr.
Warum ich krank geworden bin
Es ist nicht eine einzige Ursache – es sind viele kleine Stiche:
- Nährstoffe aus der Landwirtschaft. Jeder Regen trägt Reste von Dünger und Gülle in meine Arme. Sie sind für Pflanzen gedacht – doch landen bei mir.
- Stillstand. Früher floss ich lebendiger. Heute werde ich gebremst und aufgestaut. Dadurch sammelt sich alles in mir: Schlamm, Wärme, Nährstoffe.
- Der Klimawandel. Eure Sommer sind heißer geworden. Warmes Wasser kann weniger Sauerstoff binden – genau den brauche ich so dringend.
- Eure Nachlässigkeit. Gartenabfälle am Ufer, Entenfütterung, falsche Pflege – all das sind kleine Tropfen, die mein Fass füllen.
So bin ich in einem Kreislauf gefangen:
Mehr Nährstoffe → mehr Pflanzen → mehr Absterben → mehr Schlamm → weniger Sauerstoff → noch mehr Probleme.
Manche nennen das Eutrophierung. Ich nenne es: Ersticken auf Raten.


Was passieren wird, wenn ihr nichts tut
In wenigen Jahren wird Schwimmen in vielen meiner Bereiche nicht mehr möglich sein. Während besonders heißer Phasen vielleicht auch bald schon gar nicht mehr.
Boote bleiben stecken, Motoren versagen.
Die Vielfalt meiner Fische, Vögel und Pflanzen wird weiter abnehmen.
Im Hochsommer werden stinkende Faulschlämme meine Ufer belasten.
Was in natürlichen Seen viele Jahrhunderte dauert, passiert bei mir in wenigen Jahrzehnten. Denn ihr habt den Prozess beschleunigt.
Doch ich will leben – mit euch, wie früher
Es ist noch nicht zu spät.
Wenn ihr mir helft, kann ich mich erholen. Das habe ich schon oft getan – ich bin Natur, ich habe Kraft zur Heilung. Aber ich brauche Unterstützung.
- Nährstoffe verringern. Sorgt dafür, dass weniger Dünger in meine Arme gelangt. Pufferstreifen, klügere Landwirtschaft, mehr Bewusstsein im Alltag.
- Pflanzen ernten. Wenn meine Krautfelder regelmäßig gemäht und die Biomasse herausgeholt wird, kann ich wieder besser atmen.
- Schlamm entfernen. An manchen Stellen könnt ihr mir Ballast nehmen.
- Bewusstsein schaffen. Sprecht über mich – in euren Schulen, Familien, Vereinen. Helft, dass jeder weiß: Die Wakenitz geht uns alle an.
Ich bin nicht nur ein Fluss. Ich bin ein Teil von euch. Ich bin Eure Schwester. Und ich kann Euch bei Klimawandel und Alltragstrott eine besondere Stütze sein. Eure grüne Lunge. Euer Kindheitsort. Eure Badefreude. Euer Winterspielplatz. Euer stiller Begleiter beim Spazierengehen. Eure Erfrischung an heißten Tagen.
Ich bin die Wakenitz.
Ich habe euch so vieles gegeben.
Jetzt bitte ich euch: Gebt mir ein Stück davon zurück.
Denn wenn ich sterbe, verliert ihr mehr als ein Gewässer. Ihr verliert ein Stück Heimat.

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